Mittwoch, 6. Juli 2022

Meine ersten Tests

 Kaum war der Wechselunterricht gestartet, habe ich beschlossen, meine Schüler zu quälen. Solange die Schulen offen waren, musste ich eine schriftliche Note einheimsen. Also Tests schreiben. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Natürlich waren auch meine KollegInnen auf dieselbe Idee verfallen und so hatten die Kinder jetzt jede Woche Arbeiten. Ich staffelte die 14 Gruppen so, dass ich in vier Wochen durch wäre. 

Mein erster Entwurf wurde von meiner Kollegin kritisch geprüft, und sie hatte recht: die ersten drei Aufgaben, die ich auf Kindergartenniveau vermutet hatte, waren fabelhaft, aber die anderen drei viiiel zu schwer. Also überarbeitete ich die Aufgabenstellung und ließ weniger schreiben. Jetzt sollten die Schüler zuordnen, ankreuzen, markieren usw. Ich sagte den Kindern ziemlich genau, was dran kommen würde. Sowas hatten unsere Lehrer früher mit uns nie gemacht. Und da alle Kinder die E-Mails von uns haben, wurde ich auch regelmäßig von einzelnen Schülern angeschrieben, ob ich nicht noch genauer sagen könnte, was sie lernen sollten, das wäre alles viiiiel zu viel. Ich gab Tips, wo ich konnte, aber genau diese 11/12jährigen Kinder saßen dann mit Tränen in den Augen vor einem und wussten nicht, was Ebbe und Flut ist oder wo Großbritannien liegt, obwohl wir beides lang und breit behandelt hatten. 

Nach dem ersten Test beschloss ich, "Starthilfe" einzuführen. Die Kinder konnten sich also während des Tests melden, wenn sie total auf dem Schlauch standen, etwas auf der Zunge lag oder sie einfach keinen blassen Schimmer hatten. Manchmal genügte dann ein kleiner Hinweis, aber manchmal ... Mannomann, da guckten einen ahnungslose Augen an, als ob sie NOCH NIE IM LEBEN das Wort Steppe gehört hatten, obwohl das eines der drei vorher fürs Lernen genannten Themen war. Da saßen Kinder, die einfach nicht gelernt hatten und in den Lückentext frech das Alphabet einfügten von a bis z. Oder die unter die Aufgabe schrieben: "hab ich nicht gelernt, aber für den hübschen Smiley kriege ich doch bestimmt einen Zusatzpunkt, ooooder?" Nö. Der Bursche war zwei Punkte von der 4 entfernt - da hätte er schon zwei Smileys malen müssen. Das schrieb ich ihm auch so hin.  Schließlich mussten wir die Noten entlang einer Punkteskala ermitteln, die von der Schule festgelegt war. Da gab es keinen Verhandlungsspielraum.

Wahrscheinlich merkten die Kinder jetzt, dass ich tatsächlich auch eine knallharte Lehrerin sein kann. Vorher immer so netten Unterricht, mit Bildern, Basteln, Filmchen und Spielen. Und jetzt macht sie das! Tja, Kinder, das Leben ist grausam und schrecklich gemein! 

Aber zum Ausgleich gibt es keinen zweiten Test. Stattdessen dürfen die SchülerInnen aus der 9. Klasse ein Poster präsentieren und ich habe ihnen dafür 14 sehr coole Themen zur Auswahl gegeben - von Piraten im Pazifik über Himalaya-Expeditionen, Sundarbans Tiger, über Walfang bis hin zur Transsibirischen Eisenbahn und Fukushima und den historischen Gewürzrouten.  Wen wundert's: sie sprangen sofort darauf an und prügelten sich fast um die Piratenposter.

Die Jüngeren werde ich auch mit einer ähnlichen Aktion ruhig stellen: die Oberschüler dachten schon direkt nach dem Test, dass er in die Hose gegangen ist und boten Vorträge an - über die Schweizer Schokolade, die Vulkane Italiens oder ähnliches werde ich auch da eine nette Liste machen. So habe ich was davon - ich kann delegieren und sie lernen im Internet recherchieren und vortragen. Ich bin mal gespannt, was so rauskommt.