Donnerstag, 13. Juli 2023

Chiffre zwischen Wackerbarth und Flemming entschlüsselt

 

SächsHStAD, Bestand 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 03233/02, ca. f. 412. (Ausschnitt)

Regelmäßig lade ich die Geheimschriften von Flemming in die DECODE-Datenbank hoch und habe bereits ein Fünftel seiner Chiffren geschafft. Insgesamt sind in dieser Datenbank nun aus dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv bereits 152 sächsische Chiffren enthalten. Die vielen, oft namenlosen Tabellen des Grafen Flemming zeigen zumeist umfangreiche Nomenklatoren und homophone Chiffren. Homophone Substitution bedeutet, dass mehrere Zahlen für einen Buchstaben stehen, so dass der Sekretär beim Chiffrieren die Zahlen abwechseln kann, was den Einbruch in eine Chiffre sehr erschwert. Üblicherweise gab es für jeden Buchstaben drei oder vier Zahlen zur Auswahl. Auch wenn Flemming diese Chiffren oft als "Chiffre bannal" bezeichnet hat, waren sie somit alles andere als banal.

Überraschend hingegen ist, dass Wackerbarth eine tatsächlich einfache Substitutionschiffre verwendet hat. Es gab für jeden Buchstaben nur eine Zahl, und mit der Häufigkeitsanalyse konnte man diese Art der Chiffre leicht knacken - wenn man genug Material hatte. Für wenig Text, wie es mit wenigen Passagen in einem Brief der Fall ist, benötigt man allerdings moderne Programme. Auf der diesjährigen HistoCrypt Tagung in München konnte ich den französischen Experten George Lasry dafür gewinnen, sich die Chiffre von Wackerbarth und Flemming anzusehen. Binnen eines Tages konnte er die verschlüsselten Passagen im Brief vom 27. Juni 1700 dechiffrieren.

 


Durch sein Computerprogramm konnte George Lasry den Schlüssel extrahieren, und ich bin ihm für seine schnelle tatkräftige Hilfe sehr dankbar. Er konnte das Alphabet auflösen, allerdings blieben die Nummern der Namen natürlich unbekannt: 57, 151, 148.

Somit konnte ich nun aber in den Konvoluten der Chiffren Flemmings nach einer Tafel suchen, bei der A 11 und B 10 und Z 13 ist. Also, Bestand Geheimes Kabinett, Loc. 3233/2 - und auf Seite 412 wurde ich fündig! Alle Nummern stimmten. Die Namen passten ebenfalls: erwähnt wurde Flemming als Adressat, Wackerbarth als Absender und der Kaiser einmal im Text. Es war zugleich die Chiffre mit dem dänischen Hof, wie sich zeigte.

 

SächsHStAD, Bestand 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 03233/02, ca. f. 412.

Der Brief vom 27. Juni 1700 gibt nun seine geheime Botschaft preis: Graf Wackerbarth berichtet, er habe mit Graf Kaunitz über eine neue Tax (Steuer) gesprochen und dessen Unterstützung eingeholt. Auch wird der Kaiser die Spesen dieser Steuer auf sich nehmen. Außerdem berichtet Wackerbarth, dass der Kaiserhof einen Expressboten nach Spanien geschickt hat, um in Erfahrung zu bringen, wie Spanien über den Nordischen Krieg denkt. Es ging also um die Finanzierung des Nordischen Krieges, den Sachsen im Februar mit dem Einfall in Livland ausgelöst hatte.Die Beschießung Rigas und die Einnahme der Festung Dünamünde durch sächsische Truppen ist in mehreren Kupferstichen festgehalten worden. Auf einigen ist der Generalleutnant Flemming als Befehlshaber dargestellt: Er steht mit einem Pferd auf einer Anhöhe und gibt Anweisungen.

Johann Christoph Brotze: Sammlung verschiedner Liefländischer Monumente, Prospect der Stadt Riga von Lifländischer Seiten unter Bloquirung des Königs von Polen Anno 1700. University of Latvia Academic Library; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bm04099abm.jpg


 

Ebd., Der Neumündischen Attaque welche von denen sächsischen trouppen Anno 1700 unter Commando des General Leutenats Flemming den 12 Marty 1700. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bm04005abm.jpg

1701 gelang den Schweden freilich die Rückeroberung der Festung, was gleichfalls durch kunstvolle Kupferstiche bekannt gemacht wurde. So sah Kriegspropaganda in der Frühen Neuzeit aus.

Kupferstich des Bombardements der Festung Dünamünde im Jahr 1701; https://en.wikipedia.org/wiki/File:Ustdvinsk.jpg