Freitag, 23. Oktober 2020

In 20 Tagen zur Geografielehrerin (Teil 1)

Dieses Jahr war eine besonders, auch für mich. Bis Ende Januar lief mein letztes Projekt, und seitdem überarbeite ich meine Qualifikationsschrift für den Druck und schaue nach einer neuen Stelle. Bis Januar hätte ich noch ALG I, aber dann...? Was macht man als habilitierte Historikerin für Landesgeschichte, die seit 15 Jahren von einem Projekt zum nächsten gekommen ist und mit Familie nur bedingt flexibel? Eigentlich will ich doch nur mein Herzensprojekt machen - eine Doppelbiografie über die Minister Augusts des Starken, Flemming und Wackerbarth. Alte Bücher lesen, im Archiv sitzen, jeden Tag den Berg der 10.000 Briefe abtragen ... das wäre schön!

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Aber dafür müsste ich einen DFG-Antrag schreiben, der viel, viel Mühe kostet und zu 75% abgelehnt wird. Meine Kontaktversuche zu den einschlägigen Institutionen in Dresden erbrachten bis jetzt auch nur Schulterzucken: "Ein sehr wichtiges Thema, aber eine Stelle? Nö."

Da hilft nur umschauen. Die Ausschreibungen sind allesamt dürftig. Eigentlich bin ich auf der Suche nache einer Koordinatorenstelle oder Teilprojektleitung im Gehaltsbereich TV-L 14. Gefunden habe ich: eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Dippoldiswalde - für TV-L 8. Vom Arbeitsumfang her ist das auf jeden Falle eine 13, also bewerbe ich mich nicht. Verlockend ist auch eine Stelle in Dessau, wo mehrere Museen zusammengeführt werden. Vollzeit, Befristung, Umzug...mit Kindern in der gegenwärtigen Lage nicht die erste Wahl. Und überall suchen sie die eierlegende Wollmilchsau.

File:Wollmilchsau.png

Des Weiteren finde ich einen interessanten Job als Assistenz der Geschäftsführung in der freien Wirtschaft in der holzverarbeitenden Industrie, die sich über Quereinsteiger freuen. Allerdings ist das Unternehmen mitten in der Pampa, jeden Tag 30min Autobahnfahrt, und dann wäre das der Abbruch meiner wissenschaftlichen Karriere. Also etwas näher dranbleiben möchte ich schon. Also überlege ich diesmal ernsthaft, meinen Zweitabschluss des Ersten Staatsexamens zu nutzen und schau nach, ob Lehrer gebraucht werden. Und werde fündig: zwei Schulen in Dresden suchen Geschichtslehrer. Gleich mache ich zwei Bewerbungen fertig.

Die eine Schule schickt nach wenigen Tagen die Absage, die andere Schule lädt mich nach sechs Tagen zum Vorstellungsgespräch ein. Ausgeschrieben ist eine halbe Stelle als Lehrkraft für Geschichte und Geografie am Gymnasium.

Als ich ankomme, heißt es, ich müsste 8 Stunden Geografie und 3 Stunden Geschichte geben, überwiegend für Schüler der Oberschule. Die Stelle ist auf zwei Schuljahre befristet. Das Gehalt orientiert sich an den Quereinsteigern im Lehrdienst und sieht ca. 1.500 brutto vor. Ich werde kurz durch die Schule geführt und fühle mich wohl bei dem Gedanken. Hier könnte ich was Sinnvolles tun, hätte eine sichere Perspektive und könnte meinen Horizont erweitern. Ob ich das wirklich wagen soll? Von der renommierten Fachhistorikerin zur Geografielehrerin? Erstmal drüber schlafen.



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