links: August Christoph Reichsgraf von Wackerbarth, SKD, Gemäldegalerie Alte Meister Alte Meister, Inv.-Nr. 60-10 , rechts: Jakob Heinrich Reichsgraf von Flemming, Belarusian National Arts Museum, ZH-4, KP-9357 (beide Gemeinfrei)
So bemüht der Eine, so cool der Andere. Kann man aus inszenierten Portraits tatsächlich den Charakter herauslesen? Es mag auch das Künstlertalent eine Rolle spielen: Flemmings Portrait ist von Louis de Silvestre, Wackerbarths von einem unbekannten Künstler. Aber wenigstens in Farbe, denn die sonst von Wackerbarh überlieferten Porträts sind Kupferstiche. Da trägt er auch immer den ein wenig steifen, melancholischen Blick auf, wohingegen Flemming stets selbstbewusst erscheint. Somit sind Wesenszüge über mehrere Porträts hinweg vielleicht doch erkennbar. Aber beide sind sich abgesehen davon, recht ähnlich. Immerhin, beide tragen Allongeperücke, Rüstung und den Stab des Generalfeldmarschalls. Bei Wackerbarth prangt der Weiße Adlerorden, in den er 1718 aufgenommen wurde. Flemming zeigt seinen Orden hier in diesem Porträt nicht (auf zwei anderen schon). Er hatte es offenbar zu Lebzeiten nicht nötig, immerzu Beweise seines Prestiges zu
zeigen. Es wusste sowieso jeder, dass er der beste Hecht war. Sein Charakter wurde von Kraszewski und zuletzt Fellmann sehr kritisch beschrieben. Ob dem wirklich so war, wird die weitere Forschungsarbeit zeigen.
Wackerbarth und Flemming waren beide keine Sachsen, sondern kamen aus Sachsen-Lauenburg bzw. Pommern, also eher von der Küste. Wackerbarth fing als Page an, Flemming war schon mit 21 Jahren an der militärischen Operation Wilhelms von Oranien beteiligt, als dieser 1688 mit einer Armee nach England übersetzte. Flemming hat also dem brandenburgischen Kurfürsten, dem Onkel Wilhelms III., bereits seine Qualitäten gezeigt, während Wackerbarth als Page nach Dresden kam, Johann Georg III. sein militärisches Interesse deutlich machte und von diesem erst einmal auf Bildungsreise nach Südeuropa geschickt wurde. Wackerbarth musste erst im Ausland geformt werden, Flemming kam als Teilnehmer der Glorious Revolution nach Dresden und wurde rasch Generaladjutant.
Flemming besaß weit mehr Chiffren als Wackerbarth. Das lag an seinen früh errungenen hohen Ämtern, zuletzt als dirigierender Minister. Er war dem König ein Quäntchen näher, im Zentrum der Macht, während Wackerbarth, wie wir sahen, viele Jahre am Kaiserhof in Wien vor sich hin schmachtete. Der alte Wackerbarth war für Flemming wohl keine Konkurrenz, denn er - Flemming - war vor ihm Generaladjutant, vor ihm Kabinettsminister, vor ihm Gouverneur, vor ihm Generalfeldmarschall, und er erhielt natürlich auch vor ihm den Weißen Polnischen Adlerorden. Flemming besaß viel mehr Güter als Wackerbarth und sprach mehr Sprachen. Der fünf Jahre Jüngere war auf der Überholspur, sogar sein Leben endete früher als das des Freundes. Flemming war der Jäger des Schatzes, der sich Ruhm nennt, Wackerbarth hingegen ein dienstbeflissener Untertan und engagierter Hofbeamter im Hintergrund. Beide scheinen sich verstanden und geschätzt zu haben. Bisweilen meldete sich Flemming wochenlang nicht bei Wackerbarth, was die Hierarchie deutlich werden lässt. Wackerbarth war höchstens der dritte Mann im Staat, hinter Flemming, so scheint es nach momentaner Sachlage.
Inzwischen sind alle Briefe Wackerbarths an Flemming aus den Jahren 1704 und 1705 in meiner Datenbank transkribiert und schon ziemlich viele aus dem Französischen übersetzt. Leider konnte ich die chiffrierten noch nicht entschlüsseln, da mir der passende Nomenklator fehlt. Der Brief vom 27. Juni 1700 liest sich momentan so:
Monsieur mon tres honoré Frere
Daß die question an in deß H. Bruders 22.25.18.31.18.23.11.34.39.31.19.31.29.27.24.30.23.28.27.20.27.19.23.33.17.31.29.18 seye habe ich berets vor einige posten bericht, wie auch daß mir 29.20.11.2f.32.11.17.24.31.18.13.29.27.11.29.18.26.11.19.18. an 24.31.25.30.18.19 beruhte 11.33.19.24.17.29. an der 11.10.28.17.30.20.17.24.29.26.27.20.18.11.15. und wolle man gerne laßen , 31.24.19.26.31.18.33.23.34.23.18.17. welches in der 27.30.20.17.24.26.11.24.19.27.30.27.24 eben deßelben sey. Ich bin bißhero auch bemühet gewesen 148 von diesen 18.11.15.13.12.79.27.8.20.27.31.27.24. habe es bis dato aber noch nicht | ad effectune bringen können, und nach dem mich mehrere einiger Zeit deßen 10.20.17.26.27.20. in dieser 34.11.18.27.20.31.27 so anliegendtlich geschreiben alß übersende hirbey die 25.23.24.18.20.26.27.20.18.11.13. deßen Befehl erwartendt ob ins nachselbiger ##[?]# 26.11.19.26.31.10.33.23.34.11.27.20.30.27.10.27.24. oder aber ferner 13.17.19.23.33.31.25.31.18.31.24.27.24. continuiren 19.223.daß auch aber der Kayser 26.31.27.19.22.24.19.27.24.17.10.27.20.19.31.25.30. nehmen möge. Wegen deß 26.11.18.31. glaube ich soll es keine Difficultet haben. Und also erwarthe und.[ertänigst] befehle und durch wenn 26.131.27.10.27.24.20.18.31.25.30.18.27.29.27.39.26.27.20.29.27.13.11.30.33.18.werden sollen. Übrigens führet der hiesige Hoff, bey den Nordischen Differenzien noch eben die Contenence, welche meine Vorherige Delationes mit mehren, erkläret, in denen Project so Franckreich wegen der Package des Spanischen Monarchie [?] dem hiesigen | übergeben laßen, ist weiter noch nichts resolvirt sondern man hatte vor 26.20.27.14.15.11.29.27.24.26.47.20.25.30.27.31.24.27.15.22.20.27.19.27.27.25.23.17.20.31.20.24.11.25.30.19.22.11.24.31.27.24.29.27.19.11.24.18.17.34.13.17.30.23.27.24.16.11.19.26.31.27.19.27.26.11.13.17.19.11.29.27.24. weren. Es scheinet nicht alß wan 57.sich seines 20.27.25.30.18.19.10.27.29.27.10.27.24.und in diese 22.11.20.18.11.29.27.16.31.33.31.29.27.24.16.27.20.26.27. Je vous prie du reste mon cher frere de m'en voyare exactement de Votre Chancellerie e jour al de ce qui se passera en Livonie Votre fidel servite 151.16.31.27.24.33.27.12.26.27.31.17.24.31.24.1700. ^^de 7 Juni^^ |
Wir können noch froh sein, dass die einzelnen Zahlen hier mit Punkten voneinander getrennt sind. Im 19. Jahrhundert hat man das nicht mehr gemacht, um dem Gegner die Arbeit zu erschweren. Das sieht dann so aus:
Sächsisches Staatsarchiv, HStAD, 10731, Nr. 12 |
Also, Anfang des 18. Jahrhunderts werden alle Zahlen noch getrennt, und dennoch waren die Chiffren sehr sicher, weil man nicht mehr nur Buchstaben einzeln verschlüsselt hat, sondern Silben oder ganze Wörter. Wenn der Gegner den Nomenklator nicht besaß, waren diese Chiffren sehr sicher.
Flemming hat zwei dicke Akten voller Nomenklatoren, aber eine Chiffre mit Wackerbarth ist nicht dabei, zumindest nicht mit dessen Namen beschriftet.
In diesen Konvoluten stecken hunderte einzelne Tafeln, und es ist ein Glücksfall, wenn sie Personen zugeordnet werden können. Dieser bedauerliche Umstand hat mich aber wieder dazugebracht, meine Chiffren in die internationale Chiffrendatenbank DECRYPT einzuarbeiten und hochzuladen. Schon vor fünf Jahren auf der HISTOCRYPT-Tagung in Uppsala konnte ich im Gespräch mit den internationalen Experten für Kryptologiegeschichte feststellen, dass Sachsen die meisten überlieferten Nomenklatoren besitzt. Nunmehr habe ich in den letzten Wochen immer wieder einige Datensätze hochgeladen. Aber es ist eine immense Arbeit, auch wenn die Datenbank inzwischen überarbeitet wurde und doppelt so schnell zu bestücken ist wie vor fünf Jahren.
Es gibt für Sachsen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv allein Chiffrentabellen in ca. 50 Akten. Zum Großteil sind das gesammelte Nomenklatoren, so dass die Konvolute locker 300 Seiten umfassen. In Decode habe ich 2,5 Akten hochgeladen. Insgesamt erst 113 Nomenklatoren habe ich hochgeladen.
Das größte Problem ist, dass viele ohne Angabe von Namen, Ort oder wenigstens Jahr überliefert sind. Diese müssten einzeln abgeglichen werden mit den Zeilen des Briefes, ob die Reihenfolge der ersten Nummern einen Sinn ergibt. Diese Prozedur habe ich bei zwei Bänden mit Flemmings Akten gemacht. Ich hatte keinen Erfolg. Möglicherweise ist die Tafel in einer der anderen Akten, was eine Suche unter zehntausenden Tafeln bedeutet. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
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