Donnerstag, 20. April 2023

Neues Projekt "Wackerbarth und Flemming" - Der erste Monat

Am 24. März startete ich ein neues Projekt unter dem Arbeitstitel "Wackerbarth und Flemming". Es ist mein Herzensprojekt, von dem ich schon seit vielen Jahren träume.



August Christoph von Wackerbarth (1662-1734) und Jakob Heinrich Flemming (1667-1728) waren die Stützen Augusts des Starken. Wackerbarth wurde als Bauminister zum "Regisseur des Dresdner Barock", war aber auch als Gouverneur und Generalfeldmarschall für die Verteidigung und Militärpolitik zuständig und darüberhinaus langjähriger Gesandter am Wiener Hof. Er beriet den König als Kabinettsminister und war auch in seinem Geheimbund vertreten. Nicht zuletzt hat er sichin Sachsen für den Weinanbau eingesetzt - weshalb heute noch der Wackerbarth-Sekt bekannt ist - und das Ingenieurbildungswesen reformiert. Er kann als einer der Väter der deutschen Ingenieurskunst gelten.

Flemming seinerseits ist in Sachsen als intriganter Minister in Verruf geraten, da er August dem Starken die Finanzen für die Königswahl in Polen organisierte und in der Geschichtsschreibung sehr schlecht dargestellt wurde. Allerdings waren seine Beziehungen zu Polen und sein Organisationsgeschick für den König von unschätzbarem Wert. Er war dirigierender Kabinettsminister und ebenso wie Wackerbarth Gesandter, Gouverneur und Generalfeldmarschall. 

Beide standen sich sehr nahe und betitelten sich als "mon chére frere". Bislang steht eine Biografie dieser zentralen Akteure noch aus. Die Landesgeschichtsforschung hat sich an die überbordende Menge der Quellen der Augusteischen Ära noch nicht herangewagt. Und in der Tat ist es eine schier unübersehbare Menge Arbeit. Allein im Sächsischen Hauptstaatsarchiv lagern:

47 Akten Korrespondenzen zwischen Wackerbarth und Flemming

9 Akten Korrespondenzen zwischen dem König und Flemming

4 Akten Korrespondenzen zwischen dem König und Wackerbarth

614 Akten tragen Wackerbarths Namen im Titel

1312 Akten tragen Flemmings Namen im Titel.

Darüberhinaus sind Dutzende Bestände durchzusehen nach weiterem, in anderen Akten liegenden Material über die beiden Minister. Es sind auch weitere Archive zu besuchen: das Dresdner Stadtarchiv, 27 weitere Archive in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, 14 Archive in Deutschland, 30 Archive in Europa. Ein Lebenswerk.

Das Ziel ist die wissenschaftliche Erschließung der Korrespondenzen dieser zwei wichtigsten Minister von August dem Starken. Im Ergebnis soll eine Doppelbiografie geschrieben werden und eine Website entstehen, auf der die Quellen in Form einer Datenbank (mit Übersetzung), Itineraren, Netzwerken und Kalender für die Jahre 1691-1734 recherchierbar sind.

Die Arbeit zu strukturieren ist nicht schwer.

1. Aufnahme der Metadaten 

2. Lektüre der  Quellen - Transkription - Übersetzung

3. Analyse mithilfe von Fachliteratur

4. Verschriftlichung des Textes

5. Einrichtung von Frontend und Backend

In der ersten Woche habe ich neun Bücher aus der SLUB ausgeliehen, um mir für einen DFG-Antrag theoretisches Rüstzeug zu holen. Die Bücher behandeln Sicherheit in der Frühen Neuzeit, globale Wissensgeschichte, Mikrogeschichte und aktuelle Forschungen zur Frühen Neuzeit.

Die bereits voriges Jahr erstellte Access-Datenbank für Akten wurde nun mit den ersten Quellen gefüllt und weiter verbessert. Vom Grafen Wackerbarth sind 36 Akten digitalisiert, vom Grafen Flemming 206 Akten. In ein Access-Formular werden die Akten mit Metadaten und Inhaltsangabe eingetragen, in ein anderes die Briefe transkribiert. Eine weitere Excel-Tabelle enthält den Kalender, wo ich für den König, Wackerbart und Flemming jeweils aus den Quellen ihr Tagewerk zu rekonstruieren versuche. In einer anderen Excelliste werden die Aufenthaltsorte mit Datum notiert, so dass sich am Ende ein Itinerar erstellen lässt.

Die Personendatenbank zu führen ist am aufwändigsten, da sie gleich alle Metadaten für ein  Personennetzwerk enthalten muss. Das bedeutet, dass für jede erwähnte Person Namen, Vornamen, Titel, Lebens- und Sterbedaten sowie die Identifizierungsnummer GND und VIAF eingetragen werden muss. Nach einem Monat enthält die Liste 41 Personen.

Für die umfangreiche Literatur habe ich eine eigene Access-Datenbank für Literatur angelegt. Die verfügbaren Literaturdatenbanken sind alle kostenpflichtig, sobald man einen gewissen Umfang an Datensätzen benötigt. Und da ich mit Access inzwischen Übung habe und die Excel-Tabellen erfahrungsgemäß zuverlässig funktionieren, habe ich mich dafür entschieden, mein eigenes Ding zu machen. Ich kann stolz darauf sein, dass ich diese Datenbank in drei Stunden auf die Beine gestellt habe. Auch diese Datenbank habe ich mit der Realität abgeglichen, indem ich schon mehrere Titel, die ich lesen werde, eingegeben habe. Dabei bin ich auch auf einen Fund gestoßen, der mich aufhorchen lässt: ein mir bislang unbekannter Kupferstich in einer holländischen Übersetzung einer Publikation über Wackerbarth von 1735.

 


Das Handwerkszeug ist also bereit - bis auf Kinderkrankheiten, die sich Stück für Stück beseitigen lassen. 

So hat die Aktendatenbank noch keine zufriedenstellende Verschlagwortung. Deshalb habe ich eine weiteres Feld eingefügt. Unter "Ressorts" werde ich jeder Akte zuordnen, ob sie zur Außenpolitik, Wirtschaftspolitik usw. gehört. Die Schlagworte sind dann spezieller. Für die Einrichtung dieses neuen Feldes habe ich zwei Stunden gebraucht. Ich muss nur noch die Mehrfachauswahl einrichten; das ist immer eine kompliziertere Sache und ich hab's schon mal hingekriegt, ich weiß nur nicht, wie.

Nach vier Wochen enthält die Archivaliendatenbank 167 Akten. Am ersten Archivtag habe ich drei Briefe abgeschrieben und die Instruktion für die Gouverneure zu einem Drittel transkribiert. Zudem habe ich im Archiv unveröffentlichte Manuskripte von anderen Forschern entdeckt. Das Archiv ist eine Goldgrube, und ich wünschte, ich wäre nach sechs Stunden nicht so müde, sondern könnte Tag und Nacht weitermachen. Am besten wäre es, ich wäre mal nachts im Archiv oder in der Bibliothek eingeschlossen...



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