Montag, 21. Dezember 2020

Beethoven und sein ökologischer Fußabdruck

 

Ta-ta-ta-taaaaa! Auf diesen Tag habe ich lange gewartet. Am 17.12. wurde Ludwig van Beethoven getauft, dem ich mich ziemlich verbunden fühle. Ich bin mit seinen Sinfonien und Sonaten aufgewachsen, habe mehrere Biografien gelesen und verbringe fast täglich einen Teil meiner Freizeit am Klavier mit seinen Stücken.

An seinem 250. Geburtstag wollte ich ihm in Dresden einen Baum pflanzen. Da ich genug anderes zu tun hatte, habe ich erst im Herbst die Sache genauer geplant. Zu diesem Zeitpunkt ging gerade eine Nachricht durch die Presse, dass der Waldpark wegen der Borkenkäfer- Plage so große Schäden erlitten hat (die ich bestätigen kann!), dass eine Initiative zu seiner Rettung ins Leben gerufen wurde. Die Bürger wurden um Unterstützung gebeten. Da ließ ich mich nicht zweimal bitten und schrieb am 10. September die zwei politischen Köpfe der Initiative an:

Sehr geehrte Frau Dr. Vogel, sehr geehrter Herr Dr. Deppe,

 ich habe die Poster zur Initiative „Waldpark retten“ gelesen, konnte aber leider heute nicht teilnehmen. Mir liegt dieser Park auch sehr am Herzen, und ich würde gern eine Idee einbringen, die ich schon voriges Jahr hatte: Als Beethoven-Fan möchte ich gern zu seinem Jubiläum einen Baum pflanzen - bekanntlich, jährt sich am 17. Dezember sein Geburtstag zum 250. Mal. Beethoven selbst liebte den Wald und schrieb die meisten seiner Kompositionen auf Spaziergängen im Wiener Wald („Wie glücklich bin ich unter Bäumen wandeln zu dürfen“). In seinen Sinfonien und Sonaten hört man Spechte klopfen, Nachtigallen schlagen, den Kuckuck und die Wachtel rufen. Insofern ist das sicher ein passendes Signal, einen Beethoven-Baum zu pflanzen ähnlich den zahlreichen Luthereichen.

Da Beethoven durch seine Kompositionen die Weiterentwicklung des Pianoforte vorangetrieben hat, wäre eine Baumpflanzung als Ausgleich für die zahlreich für Instrumentenbau gefällten Bäume ein ökologisch sinnvoller Akt. Wie überliefert ist, hat Beethoven im Zuge seines Schaffens mehrere Dutzend Flügel kaputt gespielt, da er wegen seiner Ertaubung auf die Tasten der damals noch recht leise klingenden Flügel eindreschen musste. Er hatte solch einen Verschleiß, dass er die Klavierbauer unter Druck setzte und z.B. einmal schrieb: „Leben Sie wohl, wenn Sie ein Piano schicken, und übel, wenn nicht!“ Durch seine Initiative wurden die Flügel akustisch immer besser – und auch stabiler. Das Hammerklavier wurde damals aus Fichten- und Eichenholz gebaut, und man müsste eigentlich eine kleine Ansammlung mehrerer Bäume, einen „Beethoven-Wald“ pflanzen, um seinen ökologischen Fußabtritt zu verbessern. 

Der Waldpark erscheint mir ein ausgezeichneter Ort zu sein, und Ihre Initiative las sich auf dem Poster so, als würden Sie eine solche Idee dankbar aufgreifen. Falls sich eine solche Baumpflanzung realisieren ließe, würde sich evtl. genug Sponsoren finden, die einen Baum für ein kleines „Beethoven-Wäldchen“ finanzieren würden. Ansonsten würde ich jedenfalls gern wenigstens einen Baum setzen. Mit dem Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft habe ich noch keinen Kontakt.

Beethoven war übrigens 1796 im Alter von 26 Jahren zweimal in Dresden. Er erreichte Dresden von Prag kommend am 23. April, und über ihn hieß es: „Er soll sich unendlich gebessert haben und gut komponieren.“ Er spielte am 29. April im Privatgemach der Kurfürstin vor und gab auch dem König ein anderhalbstündiges Konzert auf dem Klavier, bevor er nach acht Tagen nach Leipzig und Berlin weiterreiste. Auf dem Rückweg machte er abermals Station in Dresden und gab ein „magnifiques Konzert“ und reiste dann nach einigen Tagen mit der befreundeten Familie Kalkbrenner nach Wien. Seine Karriere begann mit der damaligen Konzertreise; es blieb seine einzige Tournee. Er komponierte allerdings nichts in Dresden: vor der Abreise gab er das Streichquartett op. 4 seinem Verleger, und erst in Berlin wurde er wieder zu seinen Cellosonaten op. 5 inspiriert.

Zusammenfassend möchte ich Sie bitten, mein Anliegen um eine offizielle Baumpflanzung zu prüfen und ggf. zu unterstützen. Falls sich unsere Interessen hier decken, würde ich mich freuen, von Ihnen zu hören. Übrigens würde ich bei evtl. Anfragen o.ä. gern als Initatorin dieser Aktion mitgenannt werden. Alles Weitere würde sich besprechen lassen.

 Mit freundlichen Grüßen,

[...]   

Die beiden waren angetan von meiner Idee. Als "musikaffine Menschen" fanden sie das sogar sehr originell und unterstützenswert und besprachen sich mit ihren Fraktionen und den zuständigen Beamten im Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft.

Das dauerte. Im November hörte ich, dass das Amt noch keine Stellung genommen habe, dass man aber im Stadtrat eine Anfrage einbringen könnte, unter welchen Voraussetzungen Private Aufforstungsmaßnahmen im Waldpark vornehmen dürfen. Ein Telefonat Ende November signalisierte mir, dass die Verwaltungshürden dafür zu hoch sind und man nur mit Geldspenden für Bäume im nächsten Jahr das Amt für Stadtgrün unterstüzen könne. Konkret begründete das Amt seine Absage wie folgt:

[...] Grund dafür sind allgemein Haftungsfragen (Verkehrssicherungspflicht), die unabsichtliche Verbreitung von Schadorganismen (zum Beispiel Asiatischer Laubholzbockkäfer) oder Verstoß gegen andere Vorschriften (Denkmalschutz, Naturschutz, Giftpflanzen an Spielplätzen etc.). Im Waldpark Blasewitz kommt hinzu, dass der überwiegende Teil Wald ist und nach Sächsischem Waldgesetz nur zertifiziertes Saat- und Pflanzengut verwendet werden darf. Auch kann die Pflanzung im Waldpark erst nach Genehmigung von Art/Arten und Umfang durch die Denkmalschutzbehörde begonnen werden. Auch wir warten derzeit noch die Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde ab - zugleich beobachten wir die Lage im Waldpark. Durch den Schädlingsbefall ist eine frühzeitige Nachpflanzung ebenfalls nicht unbedingt sinnvoll, auch wenn sie wünschenswert erscheint.

Am Effektivsten ist die Unterstützung für den Bürger durch eine Spende auf den "Fonds Stadtgrün Dresden. Stadt in der Landschaft" mit Ergänzung Waldpark Blasewitz möglich.  [...]

Nun ging es mir ja nicht darum, ein paar Euro irgendwohin zu schieben. Meine Idee, dem lieben Beethoven in Dresden einen Jubiläumsbaum zu stiften, drohte zu scheitern. Da haben unsere Vorfahren es immer hinbekommen, eine Luther-Eiche, eine Bismarck-Eiche oder ähnliche Gedenkbäume zu pflanzen. Es gibt in Kaditz sogar eine 400jährige Linde für einen Schulmeister! Auf der Räcknitzhöhe stehen gleich drei Eichen für den dort 1814 verletzten französischen General Moreau. Es gibt in Dresden Schillereichen und -linden, Lutherbuchen-, -eichen und -linden, eine Moltkeeiche, zahlreiche Bäume für König Albert, eine Karnevalseiche, Bäume für die Befreiungskriege und so gar mehrere Bäume zur Deutschen Einheit 1990 und Bäume für Ehrenmitglieder von irgendwelchen kleinen Vereinen. Es gab auch mal eine "Präsidentenbuche" für den Präsidenten der "Vollmondgesellschaft zum Weißen Hirsch". Die Liste der Gedenkbäume in Dresden ist lang und zählt über 80 Bäume. Bei soviel Prominenz kann ein Baum für den (neben Bach) größten deutschen Komponisten ja nicht schaden. Richard Wagner hat auch einen Baum in Dresden. Da wäre er nicht mehr so ganz allein als Tondichter. Und Beethoven ist vielleicht politisch ein kleines bißchen korrekter angesichts seines Eintretens für Weltfrieden und Freiheit. Dresden könnte sich mit dieser Aktion schmücken. Noch dazu, wo in ganz Deutschland niemand (!!) diese Idee bislang ins Auge gefasst hat. Es werden jede Woche in Dresden Bäume gepflanzt, also könnte man ja eine dieser Pflanzungen dem Geburtstagskind widmen. 

Dachte ich. Ich schrieb also von meiner Seite nochmal direkt an das Amt und schlug einen Kompromiss vor:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe im Herbst bei den Fraktionen der Grünen und der SPD bereits eine Idee eingebracht, im Blasewitzer Waldpark einen oder mehrere Bäume zum Geburtstagsjubiläum Ludwig van Beethovens zu pflanzen. Das gestaltet sich offenbar etwas schwieriger bzw. ist derzeit unmöglich, was wohl auch mit dem sensiblen Standort „Waldpark“ zusammenhängt. Dafür habe ich natürlich volles Verständnis.

Daher möchte ich fragen, ob es im Stadtgebiet einen Ort gibt, an dem es unproblematisch möglich wäre, im Dezember einen Baum zu pflanzen? Dies wäre eine private Einzelaktion, also ohne Gruppe, so dass coronabedingte Auflagen entfallen. Mir wäre es auch egal, welche Baumart es sein soll. Wünschenswert wäre natürlich ein Ort, der nicht ganz in der Peripherie liegt. Eine nur finanzielle Spende für einen Baum wäre mir nicht recht, da die Pflanzung gerade zum Jubiläum wichtig ist und noch dieses Jahr erfolgen sollte. Falls Sie jetzt im Dezember ohnehin Pflanzungen planen, könnte auch einer dieser zu pflanzenden Bäume als „Jubiläumsbaum“ bezeichnet werden. Wahrscheinlich haben Sie auch städtische Vorgaben, wie eine kleine Tafel mit einer minimalen Beschriftung auszusehen hat und können mir sagen, wie sich das realisieren lässt.

r eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Mit vielen Grüßen

[...]

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und war reichlich deprimierend:

[...] wir danken Ihnen für Ihre Anfrage und Ihre schöne Idee, Beethoven einen Baum zu widmen.
Leider ist es ganz schwierig, Ihre Vorstellungen im öffentlichen Grün der Stadt Dresden umzusetzen.

Baumpflanzungen benötigen immer eine entsprechende Planung und dazugehörige Genehmigungen. Der Waldpark Blasewitz ist nach dem Gesetz Wald und außerdem eine denkmalgeschützte Parkanlage. Baumpflanzungen erfordern hier zusätzlich eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung. Außerdem, und das gilt für alle Baumpflanzungen auf städtischen Flächen, werden diese immer entweder von städtischen Regiebetrieb oder von beauftragten Fachfirmen ausgeführt.

Es ist also leider nicht möglich, dass Sie selbst einen Baum pflanzen können.

Der einzige Weg ist der über eine Spende zugunsten des Fonds Stadtgrün. Auch nur darüber kann dann ab einer Spende von mind. 250 Euro ein Schild am Baum angebracht werden (nach eigenem, mit uns abgestimmten Textwunsch und nicht in denkmalgeschützten Parkanlagen). Da die Pflanzsaison seit Anfang November läuft, sind die in diesem Jahr eingegangenen Spenden in Abstimmung mit den Spendern bestimmten Vorhaben zugeordnet. Jetzt eingehende Spenden kommen zukünftigen Projekten zugute.

[...] wir bitten Sie für diese Bedingungen um Verständnis. Vielleicht ist dann doch der Fonds Stadtgrün einen Option für Sie, auch wenn der Baum dann ein Jahr nach dem Jubiläum gepflanzt würde. Alle Informationen rund um die Baumspende finden Sie unter www.dresden.de/baumspende . Eine weitere Option wäre vielleicht auch eine Baumpflanzung auf einem der Dresdner Friedhöfe - allerdings denke ich, dass selbst pflanzen auch hier nicht möglich ist. Die Dresdner Friedhöfe finden Sie im Themenstadtplan https://stadtplan.dresden.de/spdd.aspx?permalink=1eAuliuP, die Kontakte zu allen Dresdner Friedhöfen unter www.dresden.de/friedhof. [...]

Da saß ich nun. Die Idee, zum Jubiläum einen Baum in Dresden zu pflanzen, war damit gestorben. Und ich selbst kam nun wegen des vermaledeiten Lockdowns, und weil ich meinen Zwerg in Quarantäne bewachen muss, nicht mehr in einen Baumarkt oder eine Baumschule, um wenigstens privat für mich ein Bäumchen zu pflanzen.


Beethoven unter einem Baum sitzend, Michel Katzaroff, Mitte 20. Jh.,  Beethoven-Haus Bonn, B 928

Armer Louis. Nun guck nicht so traurig! Ich hol das nach, zum 251. Geburtstag - versprochen! Vielleicht macht ja einer mit. Man könnte Rotfichte, Rotbuche oder Ahorn pflanzen - daraus wurden die meisten Flügel gebaut. Steinway schwört auf die Sitka-Fichte aus Alaska...aber das dürfte etwas teuer werden. Jetzt habe ich ja noch 365 Tage Zeit, das vernünftig zu planen.

Und heute, an deinem Ehrentag, koche ich dein Lieblingsessen (Seefisch) und stoße mit Tokaierwein auf dich an und höre deine 6. Sinfonie, die schöne Pastorale mit ihren Spechten und Nachtigallen im Wald. Am besten gleich die herrliche Aufnahme von Leonard Bernstein, die bei Youtube schon über anderthalb Millionen Menschen gesehen haben. Und dazu gibt es als Dessert noch den Choral mit Klavierbegleitung "Blick, o Herr, durch diese Bäume!"

Und denke bei mir: Oh, ihr Kleingeister im Rathaus zu Dresden! Beethoven wünschte sich in seinem Heiligenstädter Testament nur eines: "Lebt wohl und vergesst mich nicht ganz im Tode." Aber natürlich muss eine Verwaltung Prioritäten setzen.

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